Gummi Gummi und getunte Autos werden beim nächtlichen Partymarathon in
Reifnitz zur Nebensache: ein Stimmungsbericht zwischen Alkomaten,
Go-go-Girls und Rammstein.
Auf der VW-Bühne gehen die Lichter aus, bei Audi, Seat und Skoda
werden die pompösen Ausstellungsflächen mit Eisengittern
verbarrikadiert. Hat sich das Tageslicht verabschiedet, werden beim
GTI-Treffen sportliche Autos zur Makulatur.
21.30 Uhr. "Jetzt ist Party angesagt", sagt Philip (20) aus Bayern.
Kollege Simon (20) aus Pinkafeld verweist stolz auf die erkleckliche
Anzahl von "10 bis 15 Bieren", an denen er sich in den letzten fünf
Stunden delektiert hat. Beeindruckt ist er vom "tollen Zusammenhalt der
GTI-Fans". Die Party verläuft feucht-fröhlich-friedlich.
21.47 Uhr. Auf der Hauptbühne beim BBS-Gelände, wo untertags
kiloweise Autogummi verbrannt wird, ist Dance-Musik angesagt. Der Herr
über die Plattenteller nennt sich schlicht DER DJ und fordert die Meute
zu "Vollgas" und einer "schweinegeilen Party" auf. Philip gönnt sich
einen Schluck eines giftgrünen Drinks. "Wodka Apfel hält jung."
22.05 Uhr. Im Heavy-Metal-Zelt ist "Headbangen" en vogue. Eine
Besucherin kämpft mit Gleichgewichtsstörungen, während im Hintergrund
die Rettung mit Blaulicht ausrückt. Wohl nicht wegen des Müllcontainers,
der einem Besucher mit hohem Aggressionspotenzial zum Opfer fiel.
22.12 Uhr. Ein Autofreak tut es dem neben ihm geparkten, grünen
VW gleich und legt sich wie ein Käfer mitten auf die Straße. Als sich
ein Polizeiauto nähert, springen er und seine Begleiterinnen panisch auf
die Seite.
22.20 Uhr. Die musikalische Vielfalt ist irritierend, während aus
dem Partyzelt Rammstein dröhnt, fährt ein GTI mit Polkamusik vor. Die
Zuschauer sind jedoch viel mehr von der exaltierten Show der "Temptation
Dances" beeindruckt. Zu den Rhythmen von "Bestrafe mich" gibt es für
die Fans eine Art "Mund-zu-Mund-Besprühung" mit Wodka und Malibu Orange.
Der kleine Drache Grisu würde wohl vor Neid erblassen.
22.30 Uhr. "Der Alkomat ist hier, lasst euch testen", ruft DJ
Bert in die Menge. "Unter 1,5 Promille geht keiner heim." Simon und
Raffael aus der Schweiz sind mit ihrem Resultat (2 bzw. 1,47 Promille)
zufrieden. Stefan (18) aus dem Waldviertel kann mit erschwindelten
(Schnaps vor dem Blasen) 2,42 Promille locker mithalten. Mit dem Auto
fährt hier keiner mehr. "Super Mädels, super Party", meint er
enthusiasmiert. Trotz herzförmiger Brille ist er allein. "Meinst krieg
ich heute noch eine?"
22.45 Uhr. Beim Jägermeister-Stand freut sich Kellnerin Kathi
(23) über eine Pause. "Der Job macht Spaß." Eine gute Voraussetzung
bringt sie mit: "Ich liebe Jägermeister." Über zerbrochene Flaschen wird
ein Bierfass zum Stand nebenan gerollt. Ein getunter Bolide nähert sich
mit einem Campingsessel auf dem Dach.
22.52 Uhr. Marcel aus Linz verrät unterdessen ein Geheimnis. "Ich
fahre eigentlich einen BMW mit über 300 PS, da kann der GTI mit 200 PS
nicht mithalten." Wird nicht weitererzählt, versprochen. Offenbar um die
Damen zu beeindrucken, parliert er nur noch auf Englisch. Viel mehr als
ein breites "Yoouuu" geht sich aber nicht aus, weshalb sich bei
Marlene, Veronika und Tatjana aus Gmünd in Niederösterreich die
Affinität zu Fremdsprachen und die Bewunderung in Grenzen hält. "Da
haben wir schon bessere Männer gesehen." Vom GTI-Treffen sind sie
angetan, "wir sind heuer zum dritten Mal hier, da muss man einfach dabei
sein".
23.05 Uhr. Auf der BBS-Bühne zeigen die Tänzerinnen Katja und
Mela den Männern "wie man Party macht", dem DJ ist das "Wetter
scheißegal". Die Menge dankt es ihm mit erhobenen Händen und mehr oder
weniger rhythmischen Hüpfen zu Techno-Beats.
23.16 Uhr. Harry (32) aus Wien zeigt sich als Hutfahrer und
sammelt Jägermeister-Hüte auf seinem Kopf sowie "leichte
Erfrischungsgetränke" im Becher – Reagenzgläser, die mit Jägermeister
gefüllt sind. "Ich komme schon seit fünf Jahren zum GTI-Treffen, es
macht Spaß hier und ist einfach verrrückt", erzählt der Audi-Fahrer, der
sich hier auch Ideen für sein Auto holt. Seine Bekannte Regina fährt
sich immer wieder mit den Händen durch die Haare. "Es hat so geregnet,
da kriege ich immer so Schneckerln", sagt sie mit einem etwas getrübten
Blick. Ihre Freunde stimmen lautstark "Rapid"-Sprechchöre an.
23.27 Uhr. "Dick und durstig" legt DJ Bert jetzt auf, unterdessen
wankt ein Besucher hinter dem Zelt in Richtung Bach, um seine Notdurft
zu verrichten. Neben ihm kugelt eine Mülltonne in das Bachbett. Beim
Spulplatz nimmt ein junger Mann mit Sonnebrille, rosa Hut und
geschätzten 17 Bierbechern übereinander gestapelt, ein Bad in der Menge.
Ein Fernsehteam fängt die nächtliche Partystimmung ein. Auf der
seitlichen Betonabsperrung schläft ein junger Mann friedlich neben
seinem Bier ein.
23.44 Uhr. In einem Lokal vergräbt ein junger Mann seinen Kopf im
Dekolleté einer rothaarigen Dame. Die anderen Besucher tangiert das
wenig, sie tanzen fröhlich zum "Rama Lama Ding Dong"-Song und der
Titelmelodie von Baywatch. Samariter Markus steht gelassen neben dem
Rettungswagen. "Nicht viel passiert heute, bis jetzt ein sehr ruhiger
Abend."
0.28 Uhr. Alexandra, Sarah und Kerstin aus Niederösterreich
werden immer wieder von Männern umschwärmt, sind aber offenbar zu
nüchtern, um sich auf das überschaubare Niveau der Adoleszenten herunter
zu lassen. Ganz abgeneigt scheinen sie einem amourösen Abenteuer jedoch
nicht. "Mein Freund schläft schon lange", meint Alexandra. Und Sarah
berichtet stolz, dass sie ihren Freund "natürlich gleich ganz zu Hause
gelassen" hat. Beim Aprés-Ski-Klassiker "Ich bin solo" singen dann alle
drei lautstark mit. Stefan und seine Freunde aus dem Waldviertel
überreden eine Damenrunde zu einem Gruppenfoto vor dem Gemeindeamt.
"Schatzi, schenk mir ein Foto", klingt es aus dem Zelt.
0.52 Uhr. Vor einem der Partyzelte gehen die Emotionen hoch, bis
es schließlich zu einer handfesten Auseinandersetzung zwischen mehreren
Jugendlichen kommt. Von Security oder Polizei ist weit und breit keine
Spur. Eine junge Frau tritt mit ihren Stöckelschuhen gegen einen auf dem
Boden liegenden Kontrahenten ein. Als in der Ferne ein Blaulicht
auftaucht, lassen alle voneinander ab, Polizei und Rettung können
durchfahren, als wäre nichts gewesen. Wenige Minuten später werden die
aggressiven Gemüter bei einem gemeinsamen Bier abgekühlt.
1.07 Uhr. Vom eher überdimensionalen Spanferkel bei einem Stand
ist nur noch der Kopf übrig. "Über 250 Portionen haben wir verkauft,
einige gibt es aber schon noch", berichtet die Kellnerin. Bei anderen
Imbissständen herrscht jetzt noch einmal hektische Betriebsamkeit, was
durch so manches Mayonnaise-verschmierte Gesicht evident wird. "Cindy,
bitte mach mir noch einen Langos", fordert ein einheimischer Gast. Aber
auch asiatische Snacks sind um diese Zeit noch sehr gefragt.
1.15 Uhr. Der "Gummi Gummi"- und Partyplatz ist bereits geräumt
und mit Gittern abgeriegelt. Im Go-go-Zelt bleibt den Tänzerinnen nichts
erspart, sie müssen zu den Klängen von Andreas Gabalier ihre Hüften und
andere Körperteile kreisen lassen. Während die meisten Zelte langsam
schließen, herrscht im großen Partyzelt eine rauschende Stimmung, die
der Szenerie beim Villacher Kirchtag ähnelt. Hier gibt es jedoch keinen
Brauchtums-Hintergrund, hinter dem man Alkoholexzesse verstecken könnte.
Ein ausdauernder Partygast hat in einem Heizstrahler seinen wohl
letzten Tanzpartner für den heutigen Abend gefunden.
1.35 Uhr. "Andi, wenn du jetzt nicht heimgehst, siehst du mich
nie wieder." So mancher sonst brave und folgsame Mann mutiert um diese
Zeit zum renitenten Revoluzzer. "Ich will jetzt aber noch ins
Go-go-Zelt!" Kathi und ihre Kollegen schließen den Jägermeister-Stand.
"Es war ein lustiger Abend, ich freue mich schon auf morgen", sagt sie
mit nicht mehr ganz leichter Zunge.
1.45 Uhr. Auch die ATV-Show "Saturday Night Fever" hat hier ihre
Fans. Die Jungs haben sich zwar noch nicht gezeigt, am Straßenrand wird
aber heftig über den Realitätsbezug der Serie diskutiert. "Der Molti
sucht ja eigentlich die große Liebe", meint ein Blondine, die auch
wissen will, dass einer der Burschen "ein zweijähriges Kind" hat.
1.55 Uhr. Die Security streift entlang des Bachbettes um etwaige
"Alkleichen" zu finden. Die Freunde aus dem Waldviertel starten
Verhandlungen mit den Samaritern. "Könnt ihr uns nicht ins Bollwerk
bringen?" Die Antwort ist klar: "Wir sind ja kein Taxidienst!"
2.05 Uhr. Die letzten Stände werden mit Eisengittern versperrt,
während aus einem Zelt noch immer Partymusik dröhnt. Der Shuttlebus nach
Keutschach füllt sich noch einmal, andere wanken zu Fuß über die
Landesstraße. Im Zeltlager in Keutschach kehrt langsam Ruhe ein.
Quelle: Kleine Zeitung
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